Aufgrund der Komplexität kann an dieser Stelle nicht vertieft auf diese Konzepte eingegangen werden. Es ist aber wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Lernen ein hochkomplexer Prozess ist und uns dabei Freiräume bleiben, um ihn bewusst und achtsam zu gestalten. Achtsam zu lernen, bedeutet zunächst, sich darüber bewusst zu werden, dass man gerade lernt, wie man lernt und warum man lernt. Automatisierte Prozesse können dann bewusst wahrgenommen werden.
Beim Lernen nutzen Sie Ihre kognitiven Fähigkeiten. Hierzu zählen unter anderem:
- Lernen durch Beobachtung
- Vorausschauendes Denken
- Selbstregulation (Verhalten kann individuell bewertet und reguliert werden)
- Selbstreflexion (Reflexion über eigene Erfahrungen und Fähigkeiten)
- Abstraktionsfähigkeit
- Ziehen logischer Schlussfolgerungen/Erkennen von Zusammenhängen
- Fokus der Aufmerksamkeit (Attention) auf einen gerichteten Reiz (Information)
- Denken als Prozess der Informationsverarbeitung
- Visualisierungsvermögen
- …
Es ist sinnvoll, sich dieser Werkzeuge bewusst zu sein. Versuchen Sie in der Vorlesung doch einmal, sich darauf zu fokussieren, welche Werkzeuge Sie zur Wissensaufnahme anwenden.
Denken Sie auch daran:
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Albert Einstein
Aus diesem Grund kann es sich lohnen, beim Lernen und Zuhören auch einmal die eigene Kreativität einzusetzen. Probieren Sie ruhig einmal aus, ob es kreative Techniken gibt, die es Ihnen einfacher machen, die Vorlesung zu verfolgen. Hierzu zählen etwa Mindmapping oder Brainstorming. Sie können aber auch einmal versuchen, in Ihren Vorlesungsunterlagen mit Farben zu arbeiten, sich aktiv Eselsbrücken auszudenken oder besondere Rituale in die Vor- und Nachbereitung einzubringen.
Lernen mit Anfängergeist
Lernen ist ein Privileg, das wir wertschätzen sollten. Obwohl wir Lernen oft mit Mühsal und Arbeit gleichsetzen, sollte nicht unterschätzt werden, wie gesund Lernen eigentlich ist und wie stark wir wirklich vom Erwerb neuer Fähigkeiten profitieren. Dabei ist das gängige Vorurteil, dass wir im Erwachsenenalter nur schwer etwas Neues lernen können, längst widerlegt. Eine Studie konnte beispielsweise nachweisen, dass Erwachsene nicht nur problemlos mehrere neue Fähigkeiten gleichzeitig erlernen können, sondern auch, dass sich unsere kognitiven Fähigkeiten dadurch erheblich verbessern.[1] Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal in der Vorlesung sitzen: Was Sie gerade machen, ist quasi Fitnesstraining für Ihre grauen Zellen!
Zum achtsamen Lernen gehört aber noch etwas Anderes – der „Anfängergeist“. Anfängergeist bedeutet, den Lerninhalten offen, neugierig und ohne Vorurteile gegenüberzustehen. Der Begriff stimmt aus dem Zen. Der Zen-Meister Shunryū Suzuki sagt dazu:
„Im Geist des Anfängers gibt es viele Möglichkeiten. Im Geist des Experten gibt es nur noch wenige Möglichkeiten.“
Shunryū Suzuki
Anfängergeist bedeutet also, sich die eigene Neugier zu bewahren, sich nicht von Erfahrungen und Vorwissen einschränken zu lassen und neuen Themen unvoreingenommen zu begegnen. Oft können wir uns dabei von Kindern eine Scheibe abschneiden, die beim Lernen – neben dem beschriebenen Anfängergeist – sehr oft auch mit deutlich weniger Druck, Angst und negativen Glaubenssätzen vorgehen als Erwachsene.
Weiterführende Literatur
Wenn Sie sich näher über die Themen Achtsamkeit und Resilienz informieren möchten, empfehlen wir Ihnen unter anderem die folgenden Werke:
- Bergmann, R. (2018). Kopf frei für den kreativen Flow: Übungen, Impulse und Rezepte. Bern: Haupt Verlag.
- Kroll, M. (2018). achtsam lernen – Psychische Gesundheit systemisch bilden. Berlin: Logos Verlag.
- Suzuki, S. (2016). Zen-Geist – Anfänger-Geist: Unterweisungen in Zen-Meditation, 4. Auflage. Freiburg/Basel/Wien: Herder.
Verwendete Literatur
[1] Leanos, S., et al. (2020). The Impact of Learning Multiple Real-World Skills on Cognitive Abilities and Functional Independence in Healthy Older Adults. Journal of Gerontology: Psychological Sciences, 75 (6), S. 1-15.