Der Selbstkenntnisbericht

In sozialen Berufen sind Selbstreflexion und Selbstkenntnis wesentliche Kompetenzen, die es während der Ausbildung oder dem Studium zu erlernen und zu vertiefen gilt. Aber auch in vielen anderen Fachbereichen wird die „Selbstkenntnis“ als Handlungskompetenz zunehmend gewichtet und in den Qualifikationsverfahren geprüft.

Redaktion | 30.08.2022 | Lesedauer 5 min

«Andere sieht man in einem klaren Licht,
sich selbst aber nicht.»

– Konfuzius (551-479 v. Chr.)

 

 

Der Selbstkenntnisbericht ist die persönliche Evaluation Ihrer Arbeit

In sozialen Berufen sind Selbstreflexion und Selbstkenntnis wesentliche Kompetenzen, die es während der Ausbildung oder dem Studium zu erlernen und zu vertiefen gilt. Aber auch in vielen anderen Fachbereichen wird die „Selbstkenntnis“ als Handlungskompetenz zunehmend gewichtet und in den Qualifikationsverfahren geprüft.

Selbsterkenntnis ist ein philosophischer und psychologischer Begriff. Die Selbsterkenntnis ist eine der frühesten und nach wie vor eine der wesentlichsten Forderungen der Philosophie an den Menschen. Bereits im antiken Griechenland wurde die Selbsterkenntnis als Voraussetzung für die Bildung und das Wachstum der eigenen Persönlichkeit betrachtet.

Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff „Selbstreflexion“ eine Art mentale und spirituelle Selbstbeobachtung der eigenen Ideen, inneren Gefühle, Träume, vergangenen Erfahrungen und Zukunftserwartungen. Selbsterkenntnis wird durch Selbstreflexion erlangt. Selbstreflexion wird erreicht, indem man sich auf die Metaebene oder eine höhere Ebene der Betrachtung eines Gegenstandsbereichs begibt. Der Zweck der Selbstreflexion ist es, durch neue Erkenntnisse die eigene Perspektive zu erweitern. Die Lernkomponente ist dabei besonders wichtig. Selbstreflexion kann als ein mehrstufiger Prozess betrachtet werden, der bestimmte persönliche Fähigkeiten voraussetzt. Die Selbstreflexion ist sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld anwendbar. Sie wird in zahlreichen Bereichen eingesetzt, z. B. in der klinischen Therapie, bei Mitarbeiter:innengesprächen und in der Teamarbeit.

 

Was haben Sie aus dem Prozess gelernt?

Was ist der Sinn und Zweck eines Selbstkenntnisberichts?

Sie haben fleissig an einem Thema oder Projekt gearbeitet. Fachlich, systematisch und emotional haben Sie dabei viel Wissen erworben. Im Selbstkenntnisbericht beschreiben Sie, was besonders erhellend, beeindruckend und unerwartet war.

So fassen Sie eine Selbstevaluation Ihrer Arbeit zusammen. Wenn Sie technische oder methodische Fehler bei der Bearbeitung der Literatur und Ihrer Fragestellungen festgestellt haben, beschreiben Sie diese kurz im Selbsterfahrungsbericht. Ermitteln Sie die Ursache des Fehlers und entwickeln Sie Empfehlungen zu dessen zukünftiger Vermeidung. Das Aufzeigen von Fehlern und deren Ursachen wird positiv bewertet. Gehen Sie auch auf die Höhen und Tiefen ein, denen Sie persönlich beim Schreiben der Arbeit begegnet sind, sowie auf die Hindernisse, auf die Sie gestossen sind, und die unerwarteten Ereignisse, die eingetreten sind.

Das Ziel des Selbstkenntnisberichts ist es, Selbstreflexion und selbsterkenntnisbezogene Handlungskompetenz zu zeigen. Damit zeigt die Person, die den Text verfasst hat, dass diese in der Lage ist, Selbstreflexion (privat oder beruflich) zu betreiben und Abhilfemassnahmen für eine nachhaltige Verhaltensänderung zu ergreifen.

Selbstkenntnis erfordert den Mut, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, persönliche Grenzen zu akzeptieren und zu lernen, mit unerwünschtem Verhalten konstruktiv umzugehen. Das ist für viele Menschen ein bedeutender Wachstumsschritt – es gilt, Stärken strategisch zu nutzen und mit Schwächen professionell umzugehen. Menschen sind durch Selbstreflexion und Selbstkenntnis in der Lage, ihre Stärken, Schwächen und Entwicklungsperspektiven realistischer einzuschätzen.

Der Selbstkenntnisbericht mag im Umfang klein sein, bedarf jedoch einiger Konzentration. Es lohnt sich daher, für den Selbstkenntnisbericht einige Zeit einzuplanen!

 

Wie komme ich zur Selbstkenntnis?

Selbstkenntnis kann durch eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen erlangt werden. Besonders verbreitete Ansätze sind die Introspektion (Selbstbeobachtung), die Beobachtung des eigenen Verhaltens, die Beobachtung anderer Menschen und das Lernen aus dem Feedback anderer Menschen. Darüber hinaus können auch körperorientierte Ansätze und die Meditation als mögliche Ansätze zur Steigerung der Selbstkenntnis verstanden werden. Es ist sinnvoll, mehrere Quellen zu nutzen, um ein differenziertes Bild zu erhalten.

Ein Brainstorming ist ebenfalls ein guter Ansatz, um rasch einige Anhaltspunkte zum Schreiben eines Selbstkenntnisberichts zu erhalten. Die nachfolgende Tabelle beschreibt mögliche Aspekte, die in Bezug auf den betrachteten Prozess im Rahmen des Selbstkenntnisberichts behandelt werden können. Die Stichwörter können als Unterstützung für ein Brainstorming dienen. Im Anschluss an das Brainstorming können die daraus gewonnenen Ideen verschriftlicht und als Selbstkenntnisbericht festgehalten werden.

Reflexionsbereich

Reflexionsbereich

 


Selbstkompetenzen

Aspekte

 


  • Bereitschaft zur Selbstentwicklung
  • Selbstreflexionsbereitschaft
  • Leistungsfähigkeit
  • Lernfähigkeit und -bereitschaft
  • Offenheit
  • Risikobereitschaft
  • Belastbarkeit
  • Glaubwürdigkeit
  • Emotionalität
  • Flexibilität

Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen


  • Entscheidungsfähigkeit
  • Gestaltungswille
  • Tatkraft
  • Belastbarkeit
  • Optimismus
  • Beharrlichkeit
  • Mobilität
  • Initiative

Fachliche und methodische Kompetenzen


  • Fachkompetenzen
  • Fachwissen; Allgemeinwissen
  • Organisatorische Fähigkeiten
  • Fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • Sprachkenntnisse
  • Unternehmerisches Denken und Handeln
  • Methodenkompetenzen
  • Analytisches Denken
  • Konzeptionelle Fähigkeiten
  • Erkennen von Zusammenhängen und Wechselwirkungen
  • Kreativität und Innovationsfähigkeit

Soziale Aspekte und Kommunikation


  • Teamfähigkeit
  • Einfühlungsvermögen
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Kooperationsbereitschaft
  • Konfliktlösungsbereitschaft
  • Partnerzentrierte Interaktion
  • Kulturelles und interkulturelles
  • Verständnis

Inhalt eines Selbstkenntnisberichts

Die Qualität eines Selbsterfahrungsberichts wird niemals durch seinen Umfang, sondern vielmehr durch seinen Inhalt und seine Struktur bestimmt. Die Selbsterfahrung sollte die Person in den Mittelpunkt stellen. Die persönliche Betrachtung und die daraus gewonnenen Gedanken müssen durch Beispiele gestützt werden. Der Zusammenhang zwischen den praktischen Fällen und den eigenen Erkenntnissen muss deutlich werden, und die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse bzw. der Veränderung muss dokumentiert werden.

Unbedingt zu betonen ist, dass die eigene Arbeit bzw. der entsprechende Prozess einer ständigen kritischen Reflexion unterzogen werden sollte. Das bedeutet, dass auch wesentliche Ergebnisse, das Forschungsdesign oder der Zeitplan, die nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt haben, benannt, die Mängel diskutiert und Fehler mit Verbesserungsvorschlägen aufgezeigt werden müssen. Es sollten im Selbstkenntnisbericht keine neuen Fragen aufgeworfen werden und die Ergebnisse selbst sollten nicht mehr inhaltlich diskutiert werden.

Mögliche Inhalte eines Selbstkenntnisberichts können sein:

  • Beurteilung der Zielerreichung und des Prozesses
  • Persönliches Fazit
  • Was lerne ich aus dem Prozess (für meine nächste Arbeit)?
  • Analyse der eigenen Stärken und Schwächen
  • Verarbeitung von Selbstbild und Fremdbild
  • Kennen der eigenen Grenzen
  • Umgang mit Frustration
  • Umgang mit Fehlern / Problemen
  • Darlegen der eigenen Verhaltensweisen und Einstellungen
  • Beschreibung der persönlichen Einstellungen
  • Darstellen des persönlichen Entscheidungsverhaltens

Der schriftliche Selbsterfahrungsbericht enthält eine Analyse der eigenen Persönlichkeit oder des eigenen Verhaltens während der Durchführung. Die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren und Erkenntnisse zu gewinnen, muss anhand von konkreten Beispielen dokumentiert werden. Der Bericht zeigt auf, wie ungeeignete oder unwirksame Verhaltensgewohnheiten konkret verändert werden und welche persönlichen Ziele daraus erwachsen. Der Bericht enthält also sowohl persönliche Beispiele oder Situationsbeschreibungen als auch messbare Ziele für die persönliche Entwicklung, methodische, organisatorische oder berufliche Merkmale. Der Zusammenhang zwischen den Beispielen und den eigenen Erkenntnissen sollte erkennbar sein und rational begründet werden.

 


Checkliste: Was sollte beim Schreiben eines Selbstkenntnisberichts beachtet werden?

  • Verdeutlichen und differenzieren Sie die beschriebenen Aspekte.
  • Beschreiben Sie Beispiele oder konkrete Situationen.
  • Wie wurden die Probleme gelöst und Fehler behoben und was war das Ergebnis?
  • Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden? Sind diese verständlich und aussagekräftig?
  • Wurden die Anforderungen an die Arbeit erfüllt? Wurden alle Ziele erreicht oder sogar übertroffen?
  • Ist die Selbstbeurteilung der Arbeit objektiv, nachvollziehbar, beinhaltet sie realistische Selbstkritik?
  • Werden Fehler oder qualitative Einschränkungen benannt?
  • Gibt es Konsequenzen für die Fehler?
  • Zeigt das individuelle Fazit, was Sie daraus gelernt haben?
  • Individuelle Erkenntnisse aus den Ergebnissen / dem Vorgehen
  • Erfahrungen, die beim Verfassen des Artikels gemacht wurden
  • Persönliche Gedanken und Elemente zum Thema Selbsterkenntnis werden dargelegt (Stärken-Schwächen-Analyse, realistisches Selbstbild, Grenzen der Belastbarkeit, Entscheidungsverhalten, Umgang mit Fremdbildern usw.).
  • Bedeutende persönliche Erkenntnisse werden diskutiert und vertieft.
  • Die eigene Argumentation ist nachvollziehbar und wird mit eigenen, konkreten Beispielen belegt.
  • Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten lässt einen Entwicklungsprozess erkennen.
  • Ein Transfer der Erkenntnisse in das eigene Handlungsfeld wird aus dem Bericht ersichtlich oder der Bericht liefert sowohl Ziele als auch eine tragfähige Umsetzungsstrategie.
  • Das eigene Verhalten wurde ernsthaft analysiert und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar.

 

Checkliste: Was sollte beim Schreiben eines Selbstkenntnisberichts vermieden werden?

  • Selbstkritik kann eine schwierige Aufgabe sein. Nichtsdestotrotz sollte man sich einige Zeit nehmen, um über den Verlauf eines Prozesses und die eigene Rolle nachzudenken.
  • Es finden sich Klischees, Plattitüden und hohle Sätze in dem Bericht.
  • Persönliche Themen und Lernprozesse wurden nicht beschrieben.
  • Die Selbsteinschätzung der Arbeit fehlt oder bleibt oberflächlich.
  • Die Mängel an Qualität oder bei der Zielerreichung werden ignoriert, verharmlost oder ihre Gründe werden Dritten zugeschrieben.

 

«Ich fürchte, mich zu kennen, und kann mich doch nicht ignorieren.»
– Voltaire (1694-1778)

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