Gendern in wissenschaftlichen Arbeiten

Unsere Expertin erklärt, warum Sie in Ihren akademischen Texten gendern sollten, und gibt Tipps, die Ihnen das Gendern erleichtern.
Redaktion | 16.12.2020 | Lesedauer 5 min

Gendergerechte oder genderneutrale Sprache findet sich nicht nur zunehmend in journalistischen Texten und in der Unternehmenskommunikation, auch in wissenschaftlichen Arbeiten wird immer mehr Wert darauf gelegt, geschlechtersensibel zu formulieren. Da mit diesem Thema nach wie vor viele Unsicherheiten verbunden sind, gibt ACAD WRITE nachfolgend einen kurzen Überblick zu den wichtigsten Aspekten in Bezug auf das Gendern in akademischen Texten.

Gründe für das Gendern in akademischen Texten

Viele Hochschulen setzen sich mittlerweile aktiv für eine geschlechtersensible Sprache ein, um ein Bewusstsein dafür zu fördern, wie wichtig die Berücksichtigung aller Geschlechter auch in unserer Sprache ist. Denn Sprache fungiert als Spiegel unserer gesellschaftlichen Werte und Normen, weshalb eine Entwicklung unserer Gesellschaft hin zu Gleichberechtigung auch in unserer Sprache stattfinden muss. Dieser Notwendigkeit einer sprachlichen Gleichstellung aller Geschlechter steht jedoch nach wie vor die Dominanz des generischen Maskulinums gegenüber, auch in vielen akademischen Arbeiten und Texten.

Info

Das generische Maskulinum bedeutet, dass männliche Formulierungen verwendet werden, damit aber auch Personen anderen Geschlechts – zumindest gedanklich – miteingeschlossen sein sollen. Was vordergründig in erster Linie der Vereinfachung der Lesbarkeit eines Textes dienen soll, führte und führt noch immer dazu, dass andere Geschlechter eben nicht miteingeschlossen werden, weder sprachlich noch gedanklich.

Auch das Berücksichtigen weiterer Geschlechter in Fussnoten ist keine nachhaltige Lösung, denn dadurch würden die nur dort erwähnten Personengruppen marginalisiert werden.

Die alleinige Verwendung männlicher Formulierungen wie „der Akademiker“, „der Dekan“ „der Forscher“ oder „der Wissenschaftler“ impliziert, auch wenn sie vielleicht inklusiv gemeint sind, eine dem maskulinen Geschlecht vorbehaltene Exklusivität. Texte, in denen andere Geschlechter sprachlich nicht berücksichtigt werden, vermitteln den Personen, die diese Texte lesen, eine nicht existente Realität: Denn es gibt mehrere Geschlechter und diese möchten nicht nur unsichtbar mitgedacht, sondern auch sichtbar gleichbehandelt werden. Sprache bildet unsere Werte ab, sie beeinflusst diese aber auch. Daher ist es unzureichend, Personen anderen Geschlechts mit der Verwendung des generischen Maskulinums einfach nur gedanklich miteinzuschliessen. Vielmehr sollten gendergerechte Formulierungen als Instrument genutzt werden, die gesellschaftliche Gleichstellung aller Geschlechter von der gedanklichen über die sprachliche Ebene hin zu anderen Bereichen unseres Zusammenlebens zu realisieren.

Sprache bildet unsere Werte ab, sie beeinflusst diese aber auch.

Generisches Femininum als Gegenentwurf

Wie emotional aufgeladen das Thema Gendern sein kann, zeigt das Beispiel der Universität Leipzig, die sich 2011 dazu entschlossen hatte, in ihrer Grundordnung anstatt des generischen Maskulinums das generische Femininum zu verwenden: Es wurden durchgehend weibliche Bezeichnungen benutzt, die männlichen Personen wurden lediglich mitgedacht. Angesichts des als zuvor vertretbar angesehenen Mitdenkens weiblicher Personen ist das kein Problem, sollte man meinen. Die Universität stiess jedoch sowohl auf starken internen als auch externen Gegenwind, da sich viele Männer durch die Verweiblichung diskriminiert sahen (Link: deutschlandfunkkultur.de).

Die sich immer mehr verbreitende Forderung nach einer geschlechtersensiblen Sprache ist damit weder als Verlust der Verständlichkeit und Lesbarkeit eines Textes noch als überflüssige Formalität anzusehen, sondern hat ihre Berechtigung. Dennoch ist es verständlich, wenn sich einige Studierende angesichts der vielen formalen und inhaltlichen Aspekte, die bereits mit dem Erstellen akademischer Arbeiten einhergehen, damit überfordert fühlen, nun auch noch auf eine geschlechtersensible Formulierung zu achten. Schliesslich sind die anzufertigenden Seminar- und Abschlussarbeiten doch schon komplex genug. Sicherlich bedarf das Gendern neben der grundsätzlichen Bereitschaft, sich mit dem Thema der sprachlichen Gleichstellung auseinanderzusetzen, einiger Übung und oft auch einer kreativen Herangehensweise. Doch viele Universitäten bieten ihren Studierenden hier mittlerweile Unterstützung an, etwa in Form von Gender-Richtlinien.

Richtig gendern

Gender-Richtlinien der Hochschulen finden und anwenden

Immer mehr Hochschulen verwenden auf der eigenen Homepage geschlechtsneutrale Formulierungen. Dies wird oft auch auf eigens eingerichteten Seiten ausführlich begründet und mit Beispielen für verschiedene Gender-Methoden unterfüttert. Einige Hochschulen stellen Ihren Mitarbeitenden und Studierenden auch Leitfäden für eine geschlechtsneutrale und gendergerechte Sprache zur Verfügung, die als PDF-Dateien heruntergeladen werden können.

Leitfaden für geschlechtersensible Sprache der TU Berlin:
tu-berlin.de


Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache der Universität Köln:
gb.uni-koeln.de


Genderleitfaden der Universität Leipzig:
www.uni-leipzig.de


Leitfaden zur geschlechtersensiblen Verwendung von Sprache der Universität Stuttgart:
beschaeftigte.uni-stuttgart.de


Gender-Wörterbuch:
buchstaben.com sprachnudel.de


Die Leitfäden lassen sich in der Regel leicht über das Suchfeld auf der Startseite der Homepage der jeweiligen Hochschule finden. In den meisten Fällen reicht es, das Suchwort „Gendern“ einzugeben, um nicht nur Links für die Leitfäden angezeigt zu bekommen, sondern auch weitere Verweise zu den Themen Antidiskriminierung, Diversität und Gender Equality. Für die eigene administrative und öffentliche Kommunikation halten viele Hochschulen ihre Mitarbeitenden dazu an, eine gendergerechte Sprache zu verwenden. Diese Vorgabe ist für die Mitarbeitenden meist bindend und in der Verfassung oder der Geschäftsordnung der Universität festgeschrieben. Rechtsgrundlage für diese Vorschrift bilden Gleichstellungsgesetze der jeweiligen Landesregierungen. Für die Studierenden sind die Richtlinien der Hochschulen für eine geschlechtersensible Kommunikation in der Regel zwar lediglich Empfehlungen, deren Berücksichtigung sämtlichen Personen an den Hochschulen nahegelegt werden soll. Dennoch sollten die universitären Richtlinien, auch für den Fall, dass diese nur optional sind, in akademischen Arbeiten beachtet werden – nicht nur, um das Risiko einer schlechteren Bewertung zu umgehen, falls einzelne Dozierende oder Fakultäten ein gendergerechtes Formulieren voraussetzen, sondern auch, um das eigene Bewusstsein für geschlechtersensible Sprache zu stärken und das Gendern nach und nach zu einer alltäglichen Routine zu entwickeln.

Fachbereich

Gender Studies – Ein interdisziplinäres Forschungsfeld

Die Gender Studies sind ein interdisziplinäres Feld, in dem Knowhow aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen gefordert wird. Gender Studies
Gender-Methoden

Optionen im Falle fehlender Gender-Richtlinien
– Gender-Methoden

Nicht alle Hochschulen haben bereits eigene Richtlinien oder Leitfäden für den Gebrauch einer gendergerechten Sprache herausgegeben. Sollten auch Ihre Dozierenden oder die jeweilige Fakultät diesbezüglich keine Vorgaben haben, stehen Ihnen die folgenden Optionen offen, um Ihre akademische Arbeit geschlechtersensibel zu formulieren:

Die Beidnennung

Die Nennung sowohl der femininen als auch der maskulinen Form bietet sich vor allem dann an, wenn eine genderneutrale Form nicht existiert. Hier gibt es die folgenden zwei Möglichkeiten:

  • Die Beidnennung, wie „die Autorinnen und Autoren“.
  • Das Splitting mit Schräg- und Bindestrich, wie „der/die Professor/-in“.

Stern, Gap und Binnen-I

Das Gendersternchen, der Gendergap und das Binnen-I werden genutzt, um abseits des binären Geschlechtersystems, das lediglich die weibliche und männliche Form umfasst, bewusst sämtliche Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen. Beispiele sind „Student*innen“, „Student_innen“ oder „StudentInnen“. Am häufigsten kommt hiervon das Gendersternchen zur Anwendung.

Die Vermeidung

Die Vermeidung geschlechtsspezifischer Bezeichnungen kann über geschlechtsneutrale Pronomen erfolgen, wie etwa „alle“, „jemand“ oder „niemand“. Weitere Möglichkeiten sind:

  • Die Verwendung von Partizipien: Anstatt „der/die Herausgeber:in“ kann eine partizipiale Formulierung genutzt werden, wie „herausgegeben von“.
  • Die Verwendung der Infinitiv- oder Passivform: Anstelle von „Die Autorinnen und Autoren sollen ihre E-Mails täglich abrufen“ kann auch geschrieben werden „Die E-Mails sind täglich abzurufen“. Hier kann sich auch die persönliche Anrede empfehlen: „Bitte rufen Sie Ihre E-Mails täglich ab“.
  • Umformulierungen: Statt „der/die Redakteur/-in“ kann der Satz mit „die Redaktion“ gebildet werden.

Die Neutralität

Die Verwendung geschlechtsneutraler Bezeichnungen bezieht sämtliche Geschlechter mit ein. Beispiele sind „der Mensch“, „die Person“, „die Leute“ oder auch „das Mitglied“.

Barrierefreie Gendern:

In einigen Texten findet sich anstatt des Gendersternchens oder des Gendergaps der Doppelpunkt, wie zum Beispiel bei Student:in.
Dieser dient neben der Genderneutralität vor allem der Barrierefreiheit für Sehbehinderte. Denn viele Screenreader-Programme haben Schwierigkeiten mit der Wiedergabe von Gendersternchen und Gendergap. Mit dem Doppelpunkt formuliert man also sowohl geschlechtsneutral als auch barrierefrei.

Wie in der obigen Übersicht der verschiedenen Gender-Methoden ersichtlich ist, können diese grob unterteilt werden in Formulierungen, die die verschiedenen Geschlechter sichtbar machen, und in das Geschlecht neutralisierende Formulierungen. Für welche Herangehensweise Sie sich entscheiden, hängt auch vom Inhalt und Kontext Ihrer akademischen Arbeit ab. Insgesamt sollten Sie bei der Erstellung Ihres Textes darauf achten, dass Ihr Text eindeutig formuliert ist, das heisst, wenn in Ihrem Text eine Person mit einem konkreten Geschlecht gemeint ist, sollte sich die Geschlechtszugehörigkeit auch in der Sprache widerspiegeln. Für den Fall, dass sich der Inhalt Ihres Textes auf alle Geschlechter bezieht, sollten Sie Formulierungen verwenden, die kein Geschlecht ausschliessen, sondern von denen sich Personen jedes Geschlechts angesprochen und repräsentiert fühlen. Haben Sie sich für eine Herangehensweise entschieden, sollte diese im Sinne der Einheitlichkeit auch konsequent in der gesamten Arbeit verwendet werden.

Wir hoffen, dass wir Ihnen etwaige Berührungsängste gegenüber einer geschlechtersensiblen Sprache nehmen und zeigen konnten, dass das Gendern in akademischen Arbeiten keine unüberwindliche Hürde darstellen muss, sondern den eigenen Horizont erweitern kann. Sollten Sie Unterstützung bei der gendergerechten Erstellung Ihrer Seminar- oder Abschlussarbeiten benötigen, helfen Ihnen die erfahrenen Autorinnen und Autoren von ACAD WRITE gern weiter.

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