In wissenschaftlichen Arbeiten wird in der Regel entweder ein qualitativer oder quantitativer Forschungsansatz verfolgt. Die wissenschaftlichen Debatten der vergangenen Jahre zeigen aber, dass sich qualitative und quantitative Forschung kombinieren lassen, um einen höheren Erkenntnisgewinn zu ermöglichen. Die gemischte Verwendung der Ansätze vor allem in den Human- und Sozialwissenschaften wird auch als Mixed-Methods-Ansatz oder Methodenmix bezeichnet. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Vorteile und Varianten des Vorgehens.
Qualitative und quantitative Verfahren als historische Gegenpole
Qualitative und quantitative Forschungsansätze verfolgen zunächst grundlegend verschiedene Ziele und weisen abweichende Standards auf. Die Methoden wurden daher seit den 1920er-Jahren stark isoliert voneinander weiterentwickelt. Quantitative Verfahren zielen auf die Überprüfung von Hypothesen, die ein gewisses Vorwissen voraussetzen. Einer der Hauptvorteile quantitativer Forschung ist die statistische Verallgemeinerbarkeit der Forschungsergebnisse, die Aussagen mit hoher Reichweite erlaubt.
Im Gegensatz dazu will man mithilfe qualitativer Verfahren meist kaum bekannte soziale Zusammenhänge und Lebensformen untersuchen, indem man Einzelfälle detailliert beschreibt. Qualitative Forschung setzt daher ein weitaus höheres Mass an methodischer Offenheit voraus, die mit den Grundsätzen quantitativer Forschung kaum zu vereinbaren ist. Die vermeintlichen Widersprüche zwischen qualitativer und quantitativer Forschung sind Ausgangspunkt für intensive Kontroversen, die sogar dazu führen, dass Forschende dem jeweils anderen Lager die Wissenschaftlichkeit absprechen. Lange Zeit haben sie sich jeweils dem qualitativen oder quantitativen Lager zugeordnet.
Der Methodenstreit lässt allerdings ausser Acht, dass inzwischen zahlreiche Studien publiziert wurden, die darauf hinweisen, dass gerade die Kombination von qualitativen und quantitativen Verfahren zu erkenntnisreichen Schlüssen führen kann. Ein bekanntes Beispiel für eine solche Publikation ist die sog. Marienthal-Studie, die die soziopsychologischen Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit untersucht. Mithilfe zahlreicher Erhebungsmethoden, u. a. von Schulaufsätzen, Fragebögen, persönlichen Interviews und Registerdaten, konnte gezeigt werden, dass eine langandauernde Arbeitslosigkeit nicht zu Aufständen, sondern zu passiver Resignation führt. Spätestens seit den 1990er-Jahren haben Mixed-Methods-Ansätze immer mehr an Bedeutung gewonnen. Auch das inzwischen etablierte Journal of Mixed Methods Research (https://journals.sagepub.com/)spricht gegen die These einer Unvereinbarkeit qualitativer und quantitativer Ansätze.
Ziele des Mixed-Methods-Paradigmas
Die grösser werdende Beliebtheit der Mixed-Methods-Forschung führt dazu, dass nicht mehr nur die Verwendung von qualitativen und quantitativen Datentypen als Methodenmix angestrebt wird, sondern inzwischen ein umfassenderes Mixed-Methods-Paradigma vertreten wird: Damit werden auch die Forschungsstrategien des jeweils anderen Ansatzes kombiniert, z. B. in Bezug auf Stichprobenziehung und Analyseverfahren.
Der Standpunkt dieses neuen Mixed-Methods-Paradigmas fasst die Mixed-Methods-Forschung als eigenständig auf. Sie wird damit nicht mehr als blosses Nebeneinander von qualitativer und quantitativer Forschung angesehen, sondern als Synthese mit eigener wissenschaftstheoretischer Grundlage. Mixed-Methods-Forschung lehnt damit eine Unvereinbarkeit der Ansätze ab und befindet sich auf einem Kontinuum zwischen den Polen qualitativer und quantitativer Forschung.
Ein rein qualitatives oder rein quantitatives Forschungsdesign weist zwangsläufig bestimmte Stärken und Schwächen auf. Das Mixed-Method-Design ermöglicht dagegen aufgrund der Kombination der Ansätze einen verbesserten Einblick in einen Forschungsgegenstand und kann im Allgemeinen folgende Ziele verfolgen:
Ziel | Bedeutung |
Komplementarität | Einsicht in ergänzende Standpunkte über einen Forschungsgegenstand. |
Vollständigkeit | Sicherstellen eines ganzheitlichen Bildes über den Forschungsgegenstand. |
Entwicklung | Teilstudie untersucht offene Fragen oder Hypothesen einer vorherigen Teilstudie. |
Erweiterung | Verdeutlichung oder Ausbauen der Ergebnisse einer vorherigen Teilstudie. |
Bestätigung | Befunde einer Teilstudie werden durch weitere Teilstudie verifiziert. |
Kompensation | Die Stärken einer Teilstudie gleichen die Schwächen der anderen Teilstudie aus. |
Vielfalt | Beobachtung verschiedener Standpunkte zum selben Forschungsgegenstand. |
Möglichkeiten der Kombination
Auch über sinnvolle Kombinationen qualitativer und quantitativer Anteile innerhalb eines Wissenschaftsprojektes bestehen unterschiedliche Ansichten. Grundlegend kann zunächst zwischen einer sequenziellen und einer parallelen Kombination unterschieden werden. Während die parallele Kombination ein zeitgleiches Nebeneinander beider Ansätze meint, beinhaltet die sequenzielle Anordnung eine zeitliche Abfolge qualitativer und quantitativer Verfahren. Aus einem sequenziellen Vorgehen ergibt sich demnach eine vergleichsweise längere Bearbeitungszeit.
Mixed-Methods-Forschung in sequenzieller Kombination (hier als Vertiefungsmodell)
Mixed-Methods-Forschung in paralleler Kombination
Weiter kann danach differenziert werden, ob ein qualitativer oder ein quantitativer Ansatz vorgelagert ist. Wird eine qualitative Untersuchung durchgeführt, um konkrete Hypothesen für eine quantitative Untersuchung zu formulieren, liegt ein Vorstudienmodell vor. Ein Vertiefungsmodell läuft dagegen in umgekehrter Reihenfolge ab. Die quantitative Untersuchung wird hier vorgelagert, um statistische Befunde anhand von Fallbeispielen detailliert zu beschreiben.
Beispiel für divergierende Forschungsergebnisse infolge eines parallelen Mixed-Methods-Designs: Zur Untersuchung von Rassismus in einer Stichprobe wurden standardisierte Befragungen und qualitative Interviews durchgeführt. Die statistische Auswertung der Variablen zeigt, dass die befragten Personen keine rassistischen Einstellungen aufweisen. Die Inhaltsanalyse der parallel durchgeführten qualitativen Interviews offenbart jedoch ausländerfeindliche Denkstrukturen. |
Bei einer parallelen Anordnung ist somit zu bedenken, dass die Forschungsergebnisse des qualitativen Vorgehens auf der einen sowie des quantitativen Vorgehens auf der anderen Seite nicht als Vertiefung oder Vorstudie verwendet werden können. Vergleicht man die Ergebnisse parallel durchgeführter Untersuchungen, können diese folglich übereinstimmen (konvergieren), sich widersprechen (divergieren) oder gegenseitig ergänzen (komplementieren).
Unterschiede können auch mit Blick auf den konkreten Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit vorliegen, indem ein gemischter Ansatz verfolgt wird. So besteht bspw. die Möglichkeit, Anteile beider Forschungsrichtungen bereits in einem Fragebogen zur Datenerhebung zu kombinieren. Ein solcher Fragebogen würde dann sowohl standardisierte Fragen als auch Elemente eines Interviewleitfadens enthalten, die ein freieres Verbalisieren ermöglichen.
Auch können Unterschiede in der relativen Gewichtung qualitativer und quantitativer Ansätze bestehen. Denkbar ist z. B. ein entweder qualitativer oder quantitativer Schwerpunkt der Untersuchung. Ebenso kann eine Gleichwertigkeit angestrebt werden, bei der die Ansätze zu etwa gleichen Teilen in die Analyse einfliessen.
Zudem ist die Funktion der jeweiligen Ansätze zu berücksichtigen, die je nach Forschungsdesign unterschiedlich gelagert ist. So besteht z. B. die Möglichkeit, Erkenntnisse aus einer qualitativen Untersuchung mithilfe standardisiert-quantitativer Verfahren auf ihre Generalisierbarkeit und Aussagekraft zu überprüfen. Können wiederum Erkenntnisse einer quantitativen Untersuchung anhand von statistischen Analysen nicht erklärt werden, bietet sich im Anschluss eine detaillierte Betrachtung qualitativer Daten an.
Eigens entwickelte Erhebungsinstrumente für quantitative Untersuchungen sollten vor dem Einsatz an einer grösseren Stichprobe getestet werden. Ein qualitativer Pretest erfüllt hier im Vorhinein die Funktion der Prüfung eines standardisierten Fragebogens. Ein Mixed-Methods-Ansatz findet auch dann Anwendung, wenn die Stichprobenziehung für eine qualitative Analyse durch quantitative Daten geleitet wird.
Gütekriterien der Mixed-Methods-Forschung
Die qualitativen und quantitativen Bestandteile eines Forschungsprojektes müssen infolge ihrer Kombination jeweils für sich anspruchsvolle Gütekriterien erfüllen. Die klassischen Gütekriterien umfassen dabei die Reliabilität, die Validität und die Objektivität. Darüber hinaus sind im Falle der Mixed-Methods-Forschung besondere Gütekriterien zu gewährleisten. Diese lauten:
Mixed-Methods-Gütekriterium | Leitfrage |
1. Planungsqualität | Liegt eine durchführbare Planung des Mixed-Method-Forschungsdesigns vor? |
2. Designqualität | Wird das Mixed-Methods-Forschungsdesign dem Forschungsproblem methodisch und inhaltlich gerecht? |
3. Datenqualität | Sind Stichprobe und Erhebungsmethoden aussagekräftig mit Blick auf das Forschungsproblem? |
4. Interpretationsqualität | Werden die qualitativen und quantitativen Bestandteile der Untersuchung in ihrer Auswertung sinnvoll aufeinander bezogen? |
5. Inferenzübertragbarkeit | Sind die Ergebnisse der Auswertung auf andere Kontexte übertragbar? |
6. Präsentationsqualität | Erfolgt eine detaillierte und nachvollziehbare Präsentation der Untersuchungsdetails? |
7. Synthetisierbarkeit | Werden die Ergebnisse Qualitätsanforderungen gerecht, die eine Aufnahme in eine Metastudie rechtfertigen? |
8. Nützlichkeit | Welche praktischen Implikationen ergeben sich aus den Forschungsergebnissen? |
Weiterführende Literatur:
- Baur, N., Blasius, J. (Hrsg.) (2014). Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS.
- Caruth, G. D. (2013). Demystifying mixed methods research design: A review of the literature. Mevlana International Journal of Education (MIJE), 3(2), S. 112–122.
- Döring, N., Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation. Wiesbaden: Springer.
- Venkatesh, V., Brown, S. A., Bala, H. (2013). Bridging the qualitative-quantitative divide: Guidelines for conducting mixed methods research in information systems. MIS Quarterly, 37(1), S. 21–54.