Eine falsche Verwendung des Tempus zählt zu den häufigsten Problemen in wissenschaftlichen Texten. Zugegeben: Mit insgesamt sechs Zeitformen – Präsens, Präteritum, Futur I und Futur II sowie Perfekt und Plusquamperfekt – bietet die deutsche Grammatik auch einige Möglichkeiten für Fehler. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine ganz allgemeingültigen Regeln für den Tempusgebrauch gibt, sondern stets die jeweilige Textsorte und der Bezug zu anderen zeitlichen Ereignissen bedacht werden müssen. Die folgenden Tipps sollen dabei helfen, in wissenschaftlichen Texten stets die richtige Tempusform zu wählen. So lassen sich inhaltliche Unklarheiten von Beginn an vermeiden.
Tempusgebrauch meistern und Tempusfehler vermeiden
Absoluter/relativer Tempusgebrauch:
Eine wichtige Grundlage für den richtigen Tempusgebrauch ist die Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Tempusgebrauch.
Durch den absoluten Tempusgebrauch wird keine Verbindung zu anderen zeitlichen Ereignissen dargestellt.
Beispiel:
Müller et. al. untersuchten für ihre Studie dreihundert Mäuse. Die Studienergebnisse bestätigten ihre Theorie.
Durch den relativen Tempusgebrauch hingegen wird deutlich, dass zwischen zwei Ereignissen eine Verbindung besteht:
Beispiel:
Nachdem Müller et. al. für ihre Studie dreihundert Mäuse untersucht hatten, bestätigten die Studienergebnisse ihre Theorie.
Es ist also immer wichtig, sich beim Schreiben zu fragen, ob mit dem Tempusgebrauch Zusammenhänge erzeugt werden sollen oder nicht.
Präsens:
Bei einem wissenschaftlichen Text stehen Sachlichkeit und Nüchternheit im Vordergrund. Der Text soll also weder Spannung transportieren noch in einem erzählerischen Ton verfasst werden. Die Aussagen sind von der Erzählzeit unabhängig.
Das Grundtempus informierender Textformen ist immer das Präsens. Es dient – anders als in der Alltagssprache – zur Darstellung allgemeingültiger und zeitungebundener Aussagen.
Beispiel:
Die Studienergebnisse zeigen, dass ein bestimmtes Gen die Entstehung von Brustkrebs begünstigt.
Das Präsens kann sich auch auf Zukünftiges beziehen.
Beispiel:
Die Studie endet übermorgen.
Grundsätzlich ist die Verwendung des Präsens auch zur Darstellung vergangener Ereignisse üblich. In wissenschaftlichen Texten sollte diese Form allerdings nur bei der Einleitung von Zitaten gewählt werden.
Beispiel:
Kant sagt, es existiere ein einziger kategorischer Imperativ.
Ein umstrittener Sonderfall ist die Verwendung des Präsens historicum bei der Schilderung von historischen Ereignissen.
Beispiel:
333 kommt es bei Issos zu einer Schlacht.
Hiervon ist – insbesondere in der Geschichtswissenschaft – abzuraten, da dies einen stilistischen Bruch mit der Nüchternheit eines Sachtextes darstellt. Stattdessen sollte hier das Präteritum verwendet werden.
Perfekt, Präteritum und Plusquamperfekt:
Mit dem Perfekt lassen sich Ereignisse darstellen, deren Beginn zwar in der Vergangenheit liegt, die aber bis in die Zukunft andauern.
Beispiel:
Die Universität X hat über die Jahre einen hervorragenden Ruf erworben.
Ebenso wird das Perfekt zur Darstellung von (Studien-)Ergebnissen verwendet.
Beispiel:
Die Untersuchung hat ergeben, dass die Einkommen stetig steigen.
Historische Ereignisse bzw. Vorwissen zu aktuellem Wissen werden im Präteritum (und nicht Präsens, s. o.) dargestellt.
Beispiel:
333 kam es bei Issos zu einer Schlacht.
Das Plusquamperfekt drückt eine Vorzeitigkeit zu einem im Präteritum dargestellten Ereignis aus.
Beispiel:
Nachdem sie Jeanne D´Arc verurteilt hatten, wurde sie auf einem Scheiterhaufen verbrannt.
Futur I:
Das Futur I wird genutzt, um zukünftige Ereignisse zu beschreiben, findet aber in wissenschaftlichen Texten selten Verwendung.
Beispiel:
Die Belastungsobergrenze wird bald erreicht.
Futur II:
Das Futur II wird für die Beschreibung eines Ereignisses verwendet, das in der Zukunft abgeschlossen sein wird.
Beispiel:
Bald werden sie ihr Ziel erreicht haben.
Checkliste
In vielen Leitfäden zum Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten finden sich gar keine Hinweise zum Tempusgebrauch. Oft gibt es auch verschiedene Lösungen, die richtig sind. Zur Orientierung können aber diese zusammenfassenden Regeln dienen:
- Das Grundtempus wissenschaftlicher Texte ist das Präsens.
- Das Präsens kann sich auf zukünftige und vergangene Ereignisse beziehen. In wissenschaftlichen Texten sollten dafür aber in der Regel die Zeitformen Futur I und Präteritum verwendet werden. (Ausnahme: Einleitung von Zitaten)
- Historische Ereignisse werden im Präteritum dargestellt.
- Wenn der Beginn eines Ereignisses in der Vergangenheit liegt, es aber noch andauert, ist das Perfekt die richtige Zeitform.
- Die Vorzeitigkeit zum Präteritum stellt das Plusquamperfekt dar.
- Für zukünftige Ereignisse werden Futurformen gewählt.
Im Idealfall wird der Text beim Korrekturlesen auch einmal auf die richtige Verwendung von Tempusformen gescannt. Dabei zeigt sich dann auch, ob zeitliche Zusammenhänge fehlen oder eventuell irrtümlich hergestellt wurden.